"Sport für einen besseren Umgang" - Rudi Stein, Sportbeauftragter an der JVA Wolfenbüttel

Rudi Stein arbeitet seit 31 Jahren im Strafvollzug. Seit einem Vierteljahrhundert kümmert er sich nun schon darum, dass die Insassen der Justizvollzugsanstalt Wolfenbüttel mit Sport ihre Körper in Form halten. Zum anderen sollen sie aber auch ihre soziale Kompetenz nicht vernachlässigen und den Kontakt zu den Mitmenschen nicht verlieren. Insassen aus rund 20 Nationen sitzen in Wolfenbüttel ein. Das Verhältnis Deutsche zu Migranten beträgt etwa 50 zu 50.

Obere Reihe, 2. von rechts: Rudi Stein, Spielertrainer des Mix-Team vom MTV Salzdahlum (Foto: MTV Salzdahlum).
Obere Reihe, 2. von rechts: Rudi Stein, Spielertrainer des Mix-Team vom MTV Salzdahlum (Foto: MTV Salzdahlum).

Resozialisierung durch Sport

 

Im Sommer nehmen fast drei Viertel der Gefangenen an den Sportangeboten teil, im Winter sind es etwas weniger. Das Sportangebot soll vor allen Dingen auch der Resozialisierung dienen. Auf dem Sportplatz lernt man, Konflikte ohne Gewalt zu lösen. Wer das in der JVA gelernt hat, der sollte es auch auf sein Leben in Freiheit übertragen können. Im besten Falle kommt er dann nicht so schnell wieder mit dem Gesetz in Konflikt. "Klar soll durch die körperliche Betätigung auch Dampf abgelassen werden können. Wer clever ist, der macht hier sieben Mal in der Woche Sport. Das ist doch auch draußen so: Wer Sport treibt, der hat was zu tun, kommt nicht so schnell auf dumme Gedanken, lernt sein Umfeld besser kennen", sinniert Stein über die integrativen Eigenschaften des Sports. Das Angebot, das er gemeinsam mit zwei halbtags beschäftigten Kollegen auf die Beine stellt, ist groß: Fußball, Basketball, Softballtennis, Badminton, verschiedene Laufgruppen, Rückengymnastik – für jeden Geschmack ist was dabei. "An sich ist alles fast genauso wie draußen, außer dass unser Sportplatz nur halb so groß ist. Unsere Laufbahn hat 200 Meter statt der 400-er Standardlänge. Da dreht man dann bei größeren Distanzen eben doppelt so viele Runden, um auf seine Strecke zu kommen", stellt Stein pragmatisch fest.

 

"Wer clever ist, der macht hier sieben Mal in der Woche Sport."

 

Das Leben des 59-Jährigen ist eng mit dem Sport verbunden. Seit mittlerweile schon 40 Jahren ist er Mitglied im "Männer-Turn-Verein von Salzdahlum 1911 e. V." – der natürlich längst nicht mehr nur Männern vorbehalten ist. Die Salzdahlumer sind sehr sportlich: Von rund 1300 Einwohnern sind 1200 im MTV. Stein selbst ist Leiter der Turnabteilung. Und eben der Mann für den Sport in der JVA. Bei fast 20 Nationalitäten in der Anstalt sind Konflikte an der Tagesordnung. Bei den Sportaktivitäten sind sie allerdings extrem selten. Der Sport trage zum besseren Umgang der Gefangenen miteinander bei, erhöhe auch im sonstigen Anstaltsleben den Fairnessfaktor, hat Stein beobachtet.

 

Aber Stein achtet auch auf die Zusammensetzung der Gruppen und Mannschaften. „Wenn man da nicht etwas regelnd eingreift, dann spielen die Kurden gegen die Türken. Das könnte dann ins Auge gehen." Ein Highlight war ein Spiel einer Mannschaft aus Rumänen gegen ein Team von Afrikanern. "Das war eine echte Augenweide", erinnert sich Stein. Natürlich können sich die Insassen bei ihm nichts erlauben. "Auszurasten traut sich gar keiner, sonst gibt es Sanktionen. In unserer kleinen Fußball-Punktspiel-Liga muss nach zwei Gelben Karten ein Spiel pausiert werden. Das will natürlich keiner."

 

Sportliche Begegnungen mit Besucherteams

 

Eine willkommene Abwechslung stellen die Gelegenheiten zum Kräftemessen mit Besucherteams dar. So kommt seit gut 20 Jahren vier Mal jährlich der CVJM Wolfsburg, Stüzpunktverein des Programms "Integration durch Sport", zu Stein und seinen jeweiligen Schützlingen. Dann wird gemeinsam Tischtennis und Volleyball gespielt. Die Insassen habe so Kontakt zu Menschen "von draußen". Für den CVJM spielt bei den Besuchen in der JVA auch ein pädagogischer Faktor eine Rolle: Die Wolfsburger legen einen Schwerpunkt auf die Integrationsförderung von Kindern mit Migrationshintergrund. An den Fahrten in die JVA nehmen oftmals straffällig gewordene Jugendliche teil. Die erleben dann live, dass das Gefängnis kein "cooler" Ort ist.

 

Solange es das Wetter zulässt, bleiben Stein und seine Kollegen nach den Spielen mit ihren Schützlingen noch eine gute halbe Stunde auf dem Platz. "Da wird geklönt und gegrillt, man kommt sich näher. Durch das vorherige Spiel geht das ganz von allein. Man kann sofort anfangen zu fachsimpeln und muß nicht erst nach einem Thema suchen", weiß Stein. So verbindet der Sport die Gefangenen verschiedener Nationen untereinander und auch mit den Besuchern aus der Freiheit. Und Rudi Stein sorgt dafür, dass es so bleibt.


  • Obere Reihe, 2. von rechts: Rudi Stein, Spielertrainer des Mix-Team vom MTV Salzdahlum (Foto: MTV Salzdahlum).
    Obere Reihe, 2. von rechts: Rudi Stein, Spielertrainer des Mix-Team vom MTV Salzdahlum (Foto: MTV Salzdahlum).