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Frankfurt (ids) Sebastian Stübinger zeigt auf den Händen seines Partners Sergej Davydenko wieder einmal einen atemberaubenden Handstand. Der Rücken ist extrem durchgebogen, die Oberschenkel berühren fast seinen Kopf. Ein Höhepunkt einer Übung, mit dem das Duo des TV Coburg 1861 in Forchheim 2003 seinen bisher größten Erfolg feiert: Der Sieg bei den Deutschen Junioren-Meisterschaften in der Sportakrobatik.
Die beiden sind nur die Spitze eines Projektes, das reale Integration von Aussiedlern leistet und fast zufällig vor über zehn Jahren seinen Anfang fand. Ralf Beyersdorf, Geschäftsführer des größten Coburger Sportvereins, traf in einem Übergangswohnheim unerwartet Larissa Bikteev aus Pavlodar in Kasachstan. Ihr größter Herzenswunsch: Wieder in ihrem angestammten Beruf als Trainerin für Sportakrobatik zu arbeiten.
Beyerdorf dachte gleich an die Möglichkeiten für den Verein, rief 1993 eine neue Abteilung ins Leben, die dann mit der Zeit dank des Engagements und der Kompetenz der neuen Übungsleiterin ein Selbstläufer wurde und heute über 60 Mitglieder hat - Tendenz steigend. “Ich war dabei nur der Handlanger von Larissa”, betont Beyersdorf. Anfangs fühlten sich vor allem viele deutschstämmige Aussiedler aus den ehemaligen Sowjetrepubliken angezogen, aber mittlerweile haben auch viele einheimische Kinder Gefallen an der Sportakrobatik gefunden.
Sieben Jahre später konnte auch der zweite Bikteev, Valeri, wieder seinem Hobby, dem Ringen, nachgehen. 2000 war das Entstehungsjahr der 20. Abteilung des TV Coburg, die unter dem Ehemann von Larissa ebenfalls schon beachtliches Format aufweist. Der Coburger Weg ist für die Arbeit mit Aussiedlern eher ungewöhnlich, denn sie ist gleich als Teil des Vereinsleben entstanden. “Der Verein ist das Projekt”, beschreibt Beyersdorf den Versuch, den Aussiedlern den “Ausbruch” aus dem betrüblichen Leben in den Übergangswohnheimen zu ermöglichen. Zehn Prozent der Mitglieder kommen derzeit schon aus der ehemaligen UdSSR, nicht zuletzt, weil die Coburger ihren neuen Mitbürgern mindestens zwei Jahre lang jeden Beitrag erlassen.
Die Alternative zum Wohnheim funktioniert, wie nicht nur das Zusammenwachsen der Sportakrobaten zeigt. Dort sind gemischte Paare oder Trios mittlerweile die Regel, private Freundschaften zwischen Familien entstanden. “Aber auch die Kriminalitätsstatistik ist gesunken, wie mir Freunde aus der Polizei bestätigt haben”, zeigt sich Beyersdorf stolz. Früher habe im tristen Alltag der Übersiedler der Wodka oder der Alkohol zur Verdrängung vor allem bei den Männern im Vordergrund gestanden.
Nun ist der Sport an seine Stelle getreten. Die Verbindungen des Vereins reichen des öfteren auch einmal aus, um eine Arbeitsstelle zu vermitteln. “Wir sind schon fast eine Außenstelle des Arbeitsamtes”, scherzt der Geschäftsführer. Auch bei kostengünstigen Wohnungen ist die Turnerschaft mit ihren fast 1600 Mitgliedern - neben den Aussiedlern noch fünf Prozent weitere Zuwanderer - schon einmal behilflich. Denn erst dann kann das Wohlfühlen in der neuen Heimat so richtig beginnen.
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