Thema des Monats März 2009: „Nicht gegeneinander, nicht nebeneinander – endlich miteinander!“

Beim Fußballverein SV 06 Lehrte e.V. ist vieles anders. Der Jugendmanager des neuen außergewöhnlichen Stützpunktvereins aus Niedersachsen half beim Bau der Moschee in Lehrte, die Frauen lassen sich von ihren Ehemännern bedienen und die Mütter tanzen gemeinsam Aerobic. Vor allem aber wird Integration groß geschrieben. Dabei scheuen sich die Verantwortlichen des seit Januar 2009 vom Programm „Integration durch Sport“ unterstützten Sportclubs nicht, unbequeme Themen anzugehen.

Der Leitsatz des Vereins lautet: „Nicht gegeneinander, nicht nebeneinander – endlich miteinander!“ Ein Motto, das nicht nur auf dem Sportplatz Erfolg verspricht. Dirk Ewert, Jugendmanager des SV Lehrte, hat die Selimiye-Camii-Moschee in Lehrte mit aufgebaut. Der dadurch entstandene intensive gute Kontakt zur türkischen Gemeinde und zum türkischen Elternverein ist ein wichtiger Bestandteil in der Vereinsarbeit.

Der SV Lehrte hat etwa 400 Mitglieder. 60 bis 70 Prozent der rund 180 Kinder und Jugendlichen haben einen größtenteils türkischen Migrationshintergrund. Sie beteiligen sich rege an den vielfältigen Aktionen des SV, seien es türkische Sportfeste oder Freundschaftsspiele mit körperlich und geistig Behinderten. Bei einem Frauenfest wurden die Männer kurzerhand als Bedienung eingesetzt – sie machten ohne zu Murren mit.

Integration steht im Verein so weit oben, dass der reine Fußballclub nun sein Sportangebot um eine Sparte erweitern wird. Die Mütter der Fußballjungen haben quasi am Spielfeldrand beschlossen, gemeinsam ein Sportprojekt auf die Beine zu stellen. Da sie nicht Fußball spielen wollten, gründeten sie eine Aerobic-Gruppe. 20 Frauen unterschiedlicher Nationen wollen mitmachen. Davon sollen gerade die Mütter mit Migrationshintergrund profitieren, die noch nicht perfekt deutsch sprechen.

Gegen Betonköpfe und Gleichgültigkeit

Neben allen Erfolgen in der Integrationsarbeit gibt es auch Rückschläge. Denn „wer meint, die Zeit der uneinsichtigen Betonköpfe sei vorbei, liegt falsch und beschreitet möglicherweise den gefährlichen Pfad der Untätigkeit“, stellen die drei Integrationsbeauftragten des SV Lehrte 06, Aydogan Ewert, Cemal Tamak und Thorsten Wolpert. fest. Beim SV wird nichts beschönigt und Unangenehmes zur Sprache gebracht.

In der 2. D-Jugend spielen fast ausschließlich Kinder, die in Deutschland geboren wurden und deren Eltern Migranten sind. „Deutsche mit schwarzen Haaren“, wie Dirk Ewert sie nennt. Wenn die 2. D-Jugend zu Auswärtsspielen antritt, wird sie jedoch nicht immer freundlich empfangen. „Unsere Jungs sprechen perfekt deutsch und gehen teilweise aufs Gymnasium. Wir müssen diese Kinder nicht mehr integrieren. Nein, wir müssen die Menschen überzeugen, dass wir alle miteinander leben müssen. Das ist der wichtigste Bereich der Integrationsarbeit.“

Manchmal schlägt der rauhe Ton im Fußball über in Beleidigungen und fremdenfeindliche Anfeindungen, sogar von den Eltern gegnerischer Fußballer. „Das ist etwas, mit dem ich gerade noch klar komme – viel bedenklicher handeln die Leute, die zu uns kommen und die Probleme unter den Tisch kehren. Frei nach dem Motto: Das ist doch nicht so schlimm, die meinen das nicht so und wir haben doch selbst Migranten in der Mannschaft. Diese Einstellung halten wir für gefährlich. Das akzeptieren wir nicht“, stellt Dirk Ewert klar. Aus diesem Grund hat sich der Verein in der Vergangenheit von zwei Trainern getrennt, die ähnlich argumentiert hatten.

Der SV ist gerade seit einem Vierteljahr Stützpunktverein. „Im Einführungslehrgang von „Integration durch Sport“ wurden uns die Möglichkeiten der Unterstützung aufgezeigt. Jetzt wollen wir stärker in die Hausaufgabenförderung“, sagt Dirk Ewert. Das Engagement des SV Lehrte ist vielversprechend und der Verein wird in Zukunft noch des Öfteren von sich reden machen.