Thema des Monats Mai 2009: „Ich kann nur akzeptieren, was ich kenne“

Olga Melcher, rechts im Bild, immer mit Tipps und Tricks zur Stelle
Olga Melcher, rechts im Bild, immer mit Tipps und Tricks zur Stelle

2009 hat der Deutschen Olympische Sportbund das „Jahr der Frauen im Sport“ ausgerufen. In diesem Monat startet in Hanau sein Netzwerkprojekt „Mehr Migrantinnen im Sport“. Das sind wichtige Zeichen, denn noch immer ist es so, dass Sport bei jungen Migrantinnen eine eher untergeordnete Rolle spielt. Olga Melcher, Fitnesstrainerin aus Kirgisistan, steht für die Bemühungen, Migrantinnen einen besseren Zugang zum Sport zu ermöglichen. Sie ist seit etwa zehn Jahren als Übungsleiterin beim Stützpunktverein SV Nordenham e.V. und kennt alle Besonderheiten in der Integrationsarbeit mit Frauen.

„Wir akzeptieren die Frauen, so wie sie sind. Wenn eine Frau beim Sport ein Kopftuch tragen will, dann kann sie das selbstverständlich tun. Das ist ein Grund, warum sich die Frauen bei uns so wohl fühlen“, erklärt Olga Melcher. 1994 nach Deutschland gekommen, weiß sie aus eigener Erfahrung, wie es ist, in einer fremden Kultur Fuß zu fassen.

Nach sechs Jahren wollte sie etwas für andere Aussiedlerfrauen tun und wurde Übungsleiterin im Programm „Integration durch Sport“ beim SV Nordenham. Inzwischen organisiert sie dort das gesamte Sportangebot für Frauen. Der Verein hat mittlerweile 4.000 Mitglieder und einen Migrantenanteil von knapp zehn Prozent. In Olga Melchers Gymnastikgruppe trainieren 18 Frauen aus verschieden Nationen.

Noch wichtiger als das Beherrschen der Fitnessübungen ist Olga Melcher das Erlernen gegenseitiger Toleranz. Sie organisiert Treffen, bei denen jede Frau eine selbst zubereitete Spezialität aus ihrem Land mitbringt. Eine Weltkarte wird ausgebreitet und jede erzählt etwas über sich und das Land aus dem sie kommt. Das erzeugt Verständnis und hilft Schranken abzubauen, „denn ich kann nur akzeptieren, was ich kenne“, erklärt Olga Melcher. „Bei uns ist das nicht wie in einem modernen Fitnessstudio, wo Sportler ihre Übungen machen und nicht wissen, wie die Person neben ihnen heißt. Wir halten zusammen. Wenn jemand aus der Gruppe krank ist, besuchen wir sie oder rufen sie zumindest an.“

Streit ums Duschen

Die Integrationsarbeit mit Frauen stellt die Übungsleiterinnen vor ganz andere Herausforderungen, als die Arbeit mit männlichen Migranten. Ein von „Integration durch Sport“ gefördertes Programm beim SV Nordenham ist das „Schwimmen für Frauen verschiedenen Glaubens“, das überwiegend von türkischen Muslimas wahrgenommen wird. Um sicherzugehen, dass sich kein Mann im Schwimmbad befindet, beginnt das Training gleich morgens nach der Öffnung des Bades. Ein Sichtschutz sorgt dafür, dass die Frauen ungestört trainieren können.

Ein ungewöhnliches, aber für die Frauen der Gruppe gewohntes Bild: Im Schwimmbecken tummeln sich Sportlerinnen mit Leggings und T-Shirt neben Frauen in Badeanzügen. Dass Integration kein Automatismus ist und Toleranz sich nicht immer vermitteln lasst – diese Erfahrung machte Olga Melcher in dieser Gruppe. Zwischen zwei Frauen entbrannte ein heftiger Streit darüber, ob nackt geduscht werden dürfe. Darüber kam es sogar zu Handgreiflichkeiten. An der Stelle war für Olga Melcher und ihre Kolleginnen eine Grenze überschritten. „Wir mussten uns von beiden Frauen trennen“, berichtet sie. Der Zwischenfall ist über ein Jahr her. Die Harmonie und die gegenseitige Akzeptanz innerhalb der Gruppe wurden dadurch nicht nachhaltig gestört. Olga Melcher beobachtet nicht nur bei den Schwimmerinnen Fortschritte und freut sich über viele Migrantinnen, die in letzter Zeit den Weg in den Verein gefunden haben. Dabei sind es oft die Kinder, die ihre Mütter gewissermaßen in den Vereinssport nachziehen und so die interkulturelle Geschichte des Vereins weiterführen.


  • Olga Melcher, rechts im Bild, immer mit Tipps und Tricks zur Stelle
    Olga Melcher, rechts im Bild, immer mit Tipps und Tricks zur Stelle
  • Olga Melchers Frauengymnastikgruppe
    Olga Melchers Frauengymnastikgruppe
  • „Schwimmen für Frauen verschiedenen Glaubens“
    „Schwimmen für Frauen verschiedenen Glaubens“