Vom Übergangsheim in die Bezirksliga

Der SV Witzschdorf belegte beim Sächsischen Integrationspreis den dritten Platz (Quelle: SV Witzschdorf e.V.)
Der SV Witzschdorf belegte beim Sächsischen Integrationspreis den dritten Platz (Quelle: SV Witzschdorf e.V.)

Als sich die deutsche U-21-Fußballnationalmannschaft den Europameistertitel in Schweden erspielte, standen bis zu neun Feldspieler mit Migrationshintergrund in der Startelf. Was im Spitzensport funktioniert, gilt auch für die Basis. Jahrelange Integrationsarbeit der Vereine im Land ziehen sportliche Erfolge nach sich. Der Fußballclub SV Witzschdorf e.V. – ein Stützpunktverein von „Integration durch Sport“ – hat Asylbewerber in seine Mannschaften eingebunden und wurde dafür mit dem 2009 erstmalig vergebenen Sächsischen Integrationspreis ausgezeichnet.

 

„Wir sind ein kleiner Verein, aber alle fußballverrückt in der Region“, berichtet Harald Oehme, der erste Vorsitzende des SV Witzschdorf. „Unser Dorf hat nur 700 Einwohner. Wegen der geburtenschwachen Jahrgänge fehlte uns 2004 schlichtweg der Nachwuchs.“ Also wandten sich die Witzschdorfer an das etwa 15 Kilometer entfernte Übergangsheim in Venusberg und riefen mit einem Aushang junge talentierte ausländische Spieler dazu auf, mitzumachen. Als Harald Oehme Tage später dort hinfuhr, um die Sportler abzuholen, rechnete er mit zwei, drei interessierten Spielern. „Tatsächlich standen dann zwanzig Fußballer da und wollten bei uns mitspielen“, erzählt er.

 

Seit damals holen die Übungsleiter die Kinder für ihre Altersgruppe mit dem Auto ab und fahren sie zum Training. „Die Leute, die wir damals geholt haben, wohnen mittlerweile alle in Zschopau. Hier waren wir behilflich bei der Wohnungs- und Schulsuche“, berichtet Harald Oehme. Mittlerweile hat der Verein 156 Mitglieder aus elf Nationen. Spieler aus Palästina, Iran, Irak, Afghanistan, Jemen, Polen und aus den ehemaligen russischen Republiken gehen für die neun Mannschaften des SV Witzschdorf auf Torejagd. Etwa ein Drittel der Vereinsmitglieder hat einen Migrationshintergrund.

 

25 Tore in einer Saison

 

Wie bei den Vorbildern der U-21 bleibt auch beim SV Witzschdorf der sportliche Erfolg nicht aus.“ Wir spielen als kleines Dorf mit zwei Mannschaften in der Bezirksliga“, sagt Harald Oehme. „Die B-Jugend hat vergangene Saison alle Spiele gewonnen. Kein anderer Verein in der Region stellt in jeder Altersklasse eine Mannschaft. An einem unserer B-Jugendspieler, dem 16-jährigen Mohammed Ayoub, ist der Chemnitzer FC interessiert. Der Junge hat in der vergangenen Saison 25 Tore geschossen.“

 

Für Harald Oehme steht fest: „Der Fußball hat die größte Integrationskraft aller Sportarten. Der Erfolg stellt sich jedoch nur ein, wenn alle an einem Strang ziehen.“ Der Zusammenhalt geht aber weit über das Sportliche hinaus. „Kürzlich haben fünf palästinensische Brüder, die in unserem Verein spielen, ihre Mutter verloren“, erzählt Harald Oehme. „Am 11. Juni haben wir gegen den Regionalligisten Chemnitzer FC auf dem Sportplatz Witschdorf ein Benefizspiel veranstaltet. So konnten wir der Familie etwas spenden und dabei helfen, die Kosten für die Beerdigung in einer Leipziger Moschee zu tragen.“

 

Beim Sächsischen Integrationspreis, für den sich 45 Vereine beworben hatten, belegte der SV Witzschdorf den zweiten Platz. „Über die Auszeichnung und das Preisgeld von 1.250 Euro haben wir uns wahnsinnig gefreut“, so Harald Oehme. Der Gewinn, wie auch die Fördermittel von „Integration durch Sport“, fließen in die Vorbereitung der neuen Saison. „Wir brauchen neue Bälle und Trikots“, so Harald Oehme. „Bei so einem Verein bleibt nicht groß etwas hängen. Die Übungsleiter sind alle ehrenamtlich und mit dem Herzen dabei. Für Geld geht da nichts. Das Wenige, was wir haben, investieren wir in die Kinder und in die Mannschaft. Wir wollen keinen Stern auf der Brust, aber es ist schön, dass unsere Integrationsarbeit einmal honoriert wurde. Das hat uns Mut gegeben für die Zukunft und uns gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“


  • Der SV Witzschdorf belegte beim Sächsischen Integrationspreis den dritten Platz (Quelle: SV Witzschdorf e.V.)
    Der SV Witzschdorf belegte beim Sächsischen Integrationspreis den dritten Platz (Quelle: SV Witzschdorf e.V.)
  • Beim Benefizspiel stand das Sportliche hintenan (Quelle: SV Witzschdorf e.V.)
    Beim Benefizspiel stand das Sportliche hintenan (Quelle: SV Witzschdorf e.V.)