Wertevolles Seminar in Bremen

Welche Werte treiben uns überhaupt an? Dieser Frage und einer Antwort darauf näherten sich zwölf Teilnehmende aus verschiedensten Bereichen des organisierten Sports. Es war eine Premiere auf vielen Ebenen.

Die Werteköfferchen
Die Werteköfferchen

Der Ort
Die Räumlichkeiten des Kulturladens Huchting sind bunt, hell und einladend. Es ist schwer, eine Ecke zu finden in der keine persönliche Geschichte schlummern könnte. Besonders präsent sind vielerlei verzierte bunte Papp-Köfferchen und Miniatur-Flaggen auf Tischen, Simsen und an der Decke. Auf ihnen stehen verschiedenste Wörter in unterschiedlichen Schriftsprachen wie Hebräisch, Kyrillisch und Arabisch. Auch Buchstabenkombinationen aus dem deutschen Alphabet sind dabei: Friede, Toleranz, Echtheit oder Respekt steht auf den Oberflächen. Die Begriffe lassen schon das Thema des Tages erahnen: Es sind Werte. Sie sind der rote Faden im Kulturladen und auch dieses Tagesseminars.

Das Konzept
Werte und Sport, das passt zusammen: „Ich habe über den Sport gelernt, was Toleranz bedeutet“ war Anfang 2021 bereits eine der ersten prägenden Aussagen der Interviewreihe des Programms „Integration durch Sport“ in Bremen. Sie stammt von Roya Tasmim, einer der Sportlotsinnen vom Verein TURA Bremen, auf die Frage, was ihr Sport in ihrem Leben gebracht habe.

„Werte können sich über Erlebnisse im Sport bilden und ausdifferenzieren, sie können uns helfen mit unseren Erwartungen umzugehen und motivieren uns, für etwas einzustehen. Das funktioniert aber vor allem, wenn wir uns unsere Werte bewusstmachen. Das ist eins der Ziele dieses Seminars.“, fasst es Vera Zimmermann zusammen. Sie ist seit 23 Jahren Geschäftsführerin und leitet den Kulturladen gemeinsam mit Claudius Joecke seit Gründung 1978. Seit 2008 veranstalten sie schwerpunktmässig interkulturelle, kunstsparten- und generationsübergreifende  Projekte. Heute sind beide Dozent:innen des Seminars.

Der Ablauf
Nach einer kurzen Einleitung im Flur mit Tischkreis, aus dem sich alle weiteren Räume erstrecken, ging es in den größten und hellsten Seminarraum. In diesem führten Claudius Joecke und Vera Zimmermann über Spiele des sportlichen Kennenlernens durch Bewegung, Wurfreihen und Konnotations-Spielereien in den zentralen Seminarteil über: Die Werte.
Der Start in die Findung der individuellen Werte fand im ersten Schritt für alle individuell statt. Zur Notation standen für alle Teilnehmenden kleine im Voraus durch Barbara Hofmann, die Kalligrafin und dritte Dozentin des Hauses, gebastelte Pappköfferchen bereit. Auf diesen sollte jeweils einer der drei wichtigsten individuellen Werte, wenn möglich auch künstlerisch und in der Muttersprache, notiert werden. In den Koffern waren leere Karteikärtchen, die mit den persönlichen Definitionen des entsprechenden Wertes gefüllt werden konnten. Außerdem sollte beschrieben werden, wie der entsprechende Wert in den Alltag der schreibenden Person einfließt. Die Notizen wurden zum Gepäck, das erzählt, was an individueller Bedeutung in den Wertekoffern steckt.

Der Austausch
Aus dieser persönlichen Auseinandersetzung ging es in kleine Runden: Drei Menschen mit neun Köfferchen. Der Austausch über die eigenen notierten Werte, wie man zu diesen kam, wie man sie für sich mit Bedeutung füllt und seine Handlungen aus ihnen ableitet, war eine besondere Situation. Eine Besonderheit bestand auch darin, dass die Gruppe sehr vielseitig in ihren Konfessionen, Familienlagen, Herkünften, Sportarten und ihrem Alter (22-69Jahre) aufgestellt war – ein sportlicher Querschnitt durch die Gesellschaft.
Von den individuellen Werten über die gegenseitigen Werte ging es anschließend auch in Richtung gesellschaftlicher Werte und Konsensfindung. Ein Werteschiff wurde metaphorisch zu Wasser gelassen und von den 36 liebevoll gestalteten Köfferchen durften lediglich drei an Bord gerettet werden. Dazu wurden alle Köfferchen aufgereiht und nach kurzer Vorstellung durch dessen jeweilige Besitzer auf die Reise geschickt. Dabei hatten alle Teilnehmenden die freie Wahl jedem der 36 Werte durch einen Zug pro Runde zur Rettung zu verhelfen, was letztendlich überraschend mehr zu Kooperation als Konkurrenz führte.

In einer freien Schreibübung wurde anschließend  viel Platz zum progressiven entfalten seiner Gedanken eingeräumt. Wer sich damit wohlfühlte konnte das Geschriebene wieder in Kleingruppen vortragen. Eine Übung, die unter den Teilnehmenden interessante Denkabläufe transparent machte.

Der Abschluss
Gen Ende kreiste der Fokus um einen der prägnantesten Werte unserer Gesellschaft. Ein Wert, der viel Diskussion um seine Ausgestaltung auf sich zieht, im Grundgesetz verankert ist und auch innerhalb des Kulturladens am meisten genannt und am intensivsten behandelt wurde: Die Würde. An ihr ließ sich auch sehen, wie die verschiedenen Erfahrungen und Ausdifferenzierungen innerhalb eines Wertes auseinandergehen.

 „Was wir über unsere Arbeit im Kulturladen die letzten sechs Jahre gelernt haben, ist, dass es vor allem der Mensch ist, der seine individuellen Werte über gesammelte Erfahrungen entwickelt. Werte sind menschliche Grundbedürfnisse und  entwickeln sich durch das, was wir gelernt haben oder aus Opposition dagegen. Sie können sich aber durchaus durch Erlebnisse oder Lebensumständen verändern und weiterentwickeln, aber lassen sich nicht qua Leitkultur verordnen.“ fasst es Vera Zimmermann zusammen.

Wer übrigens mehr zum Thema Werte, interkulturelle Kompetenz oder den Umgang mit Konflikten erfahren möchte, hat dazu über die verschiedenen Fortbildungen des Programms, wie „Fit für die Vielfalt“ online oder offline Gelegenheit.

Das Programm „Integration durch Sport“ wird aus Mitteln des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) unterstützt.


  • Die Werteköfferchen
    Die Werteköfferchen
  • Würde ist gesetzt
    Würde ist gesetzt
  • Die Gruppe des Tages
    Die Gruppe des Tages
  • Der Flur als Basislager
    Der Flur als Basislager
  • Viel Raum für Austausch
    Viel Raum für Austausch
  • Auf Details wird im Kulturladen Wert gelegt
    Auf Details wird im Kulturladen Wert gelegt
  • Werte, auf die man sich einigen konnte
    Werte, auf die man sich einigen konnte
  • Gutes Netzwerk vor Ort inklusive des TuS Huchting
    Gutes Netzwerk vor Ort inklusive des TuS Huchting