Wissenschaftliche Untersuchung von Migrantensportvereinen in Kooperation mit "Integration durch Sport"

In einer wissenschaftlichen Studie über den Zeitraum von zwei Jahren wird an der Universität Potsdam die Rolle von Migrantensportvereinen im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) untersucht. Am Arbeitsbereich Sport­so­zio­lo­gie/Sport­an­thro­po­lo­gie von Prof. Dr. Jürgen Baur wird die Studie im Auftrag des Bundesinstituts für Sportwissenschaften durchgeführt, in Kooperation mit dem Programm "Integration durch Sport". Die Studie ist dabei in zwei Teile unterteilt.

Der erste Teil ist ein so genannter "qualitativer Teil", in dem mittels Interviews, Beobachtungen und Analysen das Wesen von Migrantensportvereinen untersucht wird. Um diesen Teil überhaupt durchführen zu können, ist zunächst eine eigene Definition des Begriffs Migrantensportverein nötig. Silvester Stahl (33) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter von Prof. Baur und mit der Durchführung der Studie betraut. Er legt für die Studie folgende Definition zu Grunde: "Ein Migrantensportverein ist ein Verein, der entweder von Migranten gegründet und betrieben wurde, bzw. wird, oder aktuell entsprechende Bezeichnungen im Vereinsnamen führt", so Stahl. Dann erfolgt die Datenerhebung in den Vereinen. "Ich habe mittels Interviews versucht, so viele Daten wie möglich über die Vereine zu sammeln. Ich habe mir Training und Wettkämpfe der Vereine angeschaut, habe aber auch die Vereinsheime besucht, alles unter dem Aspekt, was dort unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten stattfindet", erläutert Silvester Stahl.

 

Migranten fühlen sich in deutschen Vereinen häufig nicht integriert

 

Obwohl die Untersuchung noch läuft, gibt es bereits einige interessante Erkenntnisse. So verlassen Jugendliche mit Migrationshintergrund häufig die deutschen Sportvereine, wenn sie erwachsen sind und wechseln in Migrantensportvereine. Silvester Stahl kennt den Grund: "Die Migranten fühlten sich nicht gut genug in den Verein eingebunden unter anderem deshalb, weil im Verein keine Rücksicht auf religiöse Besonderheiten genommen wurde." Eine Aussage, die Stahl in den Interviews mit Details untermauert bekam. "In vielen Sportvereinen gehört das Konsumieren von Alkohol zum Vereinsleben dazu, ein Punkt, mit dem viele Muslime Schwierigkeiten haben. Die Fastenzeit Ramadan beispielsweise mit ihren Besonderheiten wird in vielen deutschen Vereinen gar nicht oder nur unzureichend berücksichtigt", fasst Silvester Stahl die Aussagen zusammen. Die generelle Forderung an Migranten, "Geht in deutsche Sportvereine!", hält Stahl aus wissenschaftlicher Sicht für unrealistisch. "Die Untersuchung hat bislang gezeigt, dass deutsche Sportvereine für viele Migranten keine Option sind, schon gar nicht für manche Mädchen." Vielmehr stellt es sich so dar, dass die Migrantensportvereine eine Brückenfunktion haben. "Diese Vereine integrieren die Migranten in das deutsche Sportsystem mit seinen Werten, allerdings bilden sie auch eine Verbindung in den Sport in der alten Heimat und in die ethnischen Gemeinschaften hier in Deutschland", fasst Silvester Stahl zusammen. In einem zweiten, quantitativen Teil der Studie geht es darum, eine Re-Analyse der DOSB-Bestandsdaten von Migrantensportvereinen zu machen, um eine verlässliche Anzahl der Vereine zu erhalten. Nach bisherigen Schätzungen gibt es zwischen 700 und 800 Migrantensportvereine in Deutschland unter dem Dach des DOSB.